Grenzformalitäten 1.0

An der polnisch-ukrainischen Grenze sind wir buchstäblich festgehalten worden. Bereits die polnischen Beamten hatten uns gewarnt. Das Auto wurde von den ukrainischen Zöllnern zunächst ans Ende der sehr langen Schlange von Lkw´s gestellt. Nach einem kurzen Gespräch mit den Fahrern konnte ich aber etwas in der Schlange vorfahren. Dann gab es große Probleme mit den Papieren. Wir mussten die Nacht im Auto auf einem wie ein Käfig eingezäunten Abstellplatz für beschlagnahmte Fahrzeuge im Sitzen verbringen. Man wollte unsere gesamte Reisekasse als Kaution fürs Auto + Gebühr für die Einreise. Am Ende dieses Tages überlegten wir, ob wir uns aufgeben. Nein, wir würden uns von diesen Bürokraten nicht die Tour verderben lassen. Jetzt erst recht!

Am nächsten Tag nahmen wir den Kampf auf. Sehr viel Lauferei und Nerven. Wir haben über 2000$ Kaution und Gebühr für das Auto bezahlen müssen. Dieses Geld, so versicherte man uns, würden wir dann wieder bei der Ausreise an der ukrainisch-russischen Grenze abzüglich der Gebühr zurück gezahlt bekommen. Nichts zu machen, anders gings nicht weiter.

Lemberg, Dnipropetrowsk und Donezk

Nur ging unsere Reise über Lemberg, Dnipropetrowsk nach Donezk und Lugansk. Das war eine sehr spannende und abwechslungsreiche Fahrt. Wir haben jeden Abend nach einem Hotel oder Pension gesucht, wo wir schlafen konnten. Das waren sehr unterschiedliche und “interessante” Orte. Wir lernten unterwegs viele interessante Leute kennen und führten Gespräche über die Welt und Gott.

Die zweitgrößte Gefahr in der Ukraine war die Polizei. Es gab viele Kontrollen. Einmal wurde ich nur angehupt! Daraufhin wurde mir mein Führerschein sofort weg- genommen. Nachdem ich mich aber mit dem Polizisten “geeinigt” habe (der Preis über die Gebühr in Dollar war noch verhandelbar), haben wir zusammen ein schönes Foto gemacht. Wie lernten schnell von Tag zu Tag und ließen uns nicht mehr provozieren.

Wir führten eine eigene Klassifikation der Fahrbahn ein. Eine gute Straße war eine, auf der man über 80 km/h fahren konnte. Eine weniger gute war eine, wo man zwischen 80 und 40 km/h fuhr, ohne das Auto zu gefährden und eine schlechte Straße, wo man weniger als 40 km/h fahren konnte. Desweiteren gab es bei den Löchern die sogenannten “Killerlöcher”. Es handelte sich hier um Riesenlöcher, die einem entweder das Rad oder die komplette Aufhängung wegreißen würden. Diese Löcher waren keine Seltenheit. Wir haben oft solche Unfälle gesehen und sind deswegen solange es vermeidbar war fast nie nachts gefahren.

Interessanterweise tauchten solche Killerlöcher häifig hinter Brücken unerwartet auf

In der zweitgrößten Stadt der Ukraine, Dnipropetrowsk, sollten wir bei jemanden im Rahmen von Couchsurfing übernachten. Wie sich aber herausstellte, wohnte er in einer Blechbüchse, die sogar mit unserem kleinen Polo nicht erreichbar war. Ein angetrunkener aber unheimlich hilfsbereiter Mensch zeigte uns dann den Weg aus der Stadt und gab mir noch seinen alten Stadtplan, Wahnsinn!

Grenzformalitäten 2.0

Nachdem wir Lugansk erreicht haben, waren wir froh, die Ukraine nun bald hinter uns zu lassen. Somit fuhren wir direkt zum Grenzübergang. Wie wir aber erfahren mussten, passierte am Freitag dort nichts mehr (?) und ein sehr nervöser Offizier hat uns noch erklärt, dass wir hier völlig falsch seien, dass wir nach Krasna Talivka fahren müssen, wo unsere Papiere und Geld seien. Also nichts mit “Geld zurück und weiter fahren”. Bis Montag war es nicht möglich, die Ukraine zu verlassen. Man hat uns empfohlen, wir sollten uns in Lugansk ein paar Tage zu erholen, aber das Auto schon an der Grenze stehen zu lassen. Das war erst der Anfang unserer weiteren Schwierigkeiten. Wir dachten an die polnisch-ukrainische Grenze und 24 Stunden großen Ärger. Auch hier sollte es nicht leichter werden -und weit länger dauern.

Wir fuhren selbstverständlich mit dem Auto zurück nach Lugansk, suchten uns ein kleines Hotel und verbrachten die nächsten drei Tage mit Nachdenken, Essen, Friseurbesuch, Besichtigung der sehr wenig Interessantes bietenden Stadt und Gesprächen mit allen möglichen Leuten im Hotel. Alle waren sehr nett und wollten uns helfen.

Nach einer Absprache mit den Zollbeamten an dem Grenzübergang, wo wir ausreisen sollten, fuhren wir bereits um 3 Uhr nachts am Montag zu Grenze hin. Nach kurzer Rücksprache mit den Damen im Büro wurden unsere Papiere abgefertigt. Von meinem Geburtstag hatte ich noch Pralinen von Antjes Eltern zufällig dabei, wie praktisch, Schokolade bewirkt manchmal Wunder. Die Unterlagen mussten nach Lemberg zum Zoll gefaxt werden. Das Faxgerät funktionierte natürlich erst ab 8 Uhr. Glücklicherweise erhielten wir die wichtigste Bescheinigung schon jetzt und dachten, dass wir unser Geld bekämen. Falsch! Unser Geld war in der Polizei-Hauptstelle in Lugansk zu bekommen. Also zurück 2 Stunden Autofahrt. Allerdings durften wir nun das Auto nicht mehr einführen, da es ja schon als ausgereist abgestempelt war, damit wir das Geld zurück erhalten. Und weiterfahren durften wir sowieso erst nach Bestätigung aus Lemberg (falls das Faxgerät funktioniert). Wir mussten also eine weitere Nacht im Hotel verbringen und unser Auto an der Grenze lassen. Bei dieser Gelegenheit lernten wir viele interessante Beamte und Grenzprozeduren kennen :(

Niemand wusste wann der Bus kommt, somit fuhren wir nach Schichtwechsel der Zollbeamten mit diesen zusammen zurück nach Lugansk. Hin und wieder wurde ein kleinen Schlenker gemacht und angehalten, wo offensichtlich verschiedene Tauschgeschäfte (Käse, Äpfel, Milch und Wurst...) erledigt werden mussten.

 

Nach Ankunft in Lugansk sind wir direkt zur Polizeihauptstelle gegangen, was schon ein sehr unheimliches Erlebnis war. Ein altes Gebäude, Einschusslöcher, Innenausstattung wie aus dem kalten Krieg. Wir erhielten schließlich nach mehr oder weniger Schwierigkeiten doch unser Geld zurück, allerdings keine Dollar sondern Grywna!  Wir fuhren sofort zu einer Bank, um wieder umzutauschen. Dort erklärte man uns jedoch,  dass wir als Ausländer doch dafür die Bescheinigung C74 bräuchten. Hä?  Ich habe mich zum Teufel gefragt, was soll dass denn? Diese Bescheinigung hätten wir eigentlich an der polnisch-ukrainischen Grenze beim Geldumtausch bekommen sollen. Nun verstanden wir, dass unser Geld dort "schwarz" umgetauscht worden war. Nach einem Besuch von zwei weiteren Banken gab es keine Möglichkeit, das Geld ohne diese Bescheinigung umzutauschen. Eine große Hilfe war für uns Tatjana, eine Rezeptionistin im Hotel in Lugansk. Sie ist mit uns und mit einem Taxifahrer zu einigen Banken gefahren, wo sie als Einheimische Geld umtauschen durfte. Da die Banken aber nicht so viel Geld hatten, haben wir die restliche Summe bei ihrem Bekannten in einem Kantor in einem Shoppingcenter zu recht gutem Kurs umgetauscht. Unser Taxifahrer hatte die ganze Zeit Angst in den Augen, als wir vor jeder Bank angehielten, kurz rein und wieder mit einem Geldbeutel rausgekommen sind.

Nun war alles erledigt. Das Geld war wieder da. Wir haben uns herzlich bedankt, verabschiedet von Tatjana und sind mit dem Taxi morgens früh nach einer letzten Nacht in Lugansk zur Grenze gefahren. Unser Auto stand ca. 4 Meter hinter der Schranke im “Niemandsland”. Auf den Polo hat die ganze Nacht ein Wachposten aufgepasst und somit war alles okay. Wir haben uns bei ihm dafür “bedankt”, sind ins Auto eingestiegen und mit klopfenden Herzen 5 km zur russischen Grenze gefahren.

Notiz von 2016:

Die Stadt Lugansk und umliegenden Regionen, wurde im nachfolgenden Krieg komplett zerstört.

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